Sprache als Ausdruck unserer Lebendigkeit
Wir besitzen mehr denn je sämtliche Geräte und Technologien für unsere Kommunikation, um diese rund um die Uhr und möglichst weltweit sicherzustellen. Jedoch…
Was haben wir einander wirklich mitzuteilen?
Was teilen wir von uns mit?
Was verteilen wir über unsere sprachliche Macht im Umfeld?
Der kulturelle Wert unserer Sprache erfährt mit der digitalen Übermacht eine starke Beeinträchtigung, worin zugleich eine besondere Chance liegt.
Sprache & Gesundheitskompetenz
Neben jeder Berechtigung für etwaige Vorzüge des Digitalen, verhält es sich hierbei wie bei den meisten großen Fortschritten: die Auswirkungen, insbesondere die negativen, fallen uns erst viel später auf.
Menschen, die therapeutisch arbeiten, nah am Gegenüber sind, haben tagtäglich mit den symptomatischen Konsequenzen zu tun. Die vielfältigen Leiden erzählen immer komplexere Geschichten vom Straucheln mit einer Welt, welche schnelllebiger, oberflächlicher und bezugsloser wird.
Wie ist damit umzugehen?
Zu beobachten ist eine Öffnung in den klassischen Behandlungswegen für alternative Lösungen, ebenso wie eine wachsende Patientenschar, welche sich, dank jener integrativen Mediziner, ihre Gesundheitskompetenz wieder zurückholt.
Liegt das vielleicht auch an einer anderen Ansprache und daran, wie ganz grundsätzlich mit der Sprache des menschlichen Körpers umgegangen wird?
Welchen Anteil hat Sprache an unserer Resilienz und Selbstheilung?
Status Quo
Wie ist es um unseren Sprachgebrauch heutzutage bestellt?
Mehrheitlich ist er abgerutscht in das Räderwerk der Funktionalitäten, um möglichst viele Fakten auszusenden. Ein Informationsgewirr, welches, wenn es nicht mit Durchdachtheit oder Authentizität überzeugen kann, zumindest das Handwerk der Verwirrung und Zerstreuung meisterlich versteht. Reduziert um Gehaltvolles, aufgeplustert durch Effekthascherei, mit der traurigen Konsequenz, dass kaum mehr ein Versprechen Wort hält, und dass die Welle der Inflation ebenfalls die Bedeutung von Sprache für unser kulturelles (Über-)Leben in das Tal der Entwertung treibt.
Ein erschreckendes Pendant zu der auf Funktionalitäten reduzierten Medizin, welche den Menschen beharrlich als System mit Fehlermeldungen versteht, weshalb es umso naheliegender erscheint, ihn mit der voranschreitenden Perfektion technologischer Ersatzteile zu optimieren.
Inwiefern kann uns Sprache dabei helfen, diesen Prozess anders zu gestalten, wenn sie selbst um ihren Fortbestand bangen muss?
Sprache ist Zuhören – sich selbst
„Dieser Hype um teure Outfits, das geht gar nicht mehr, und dann gerade an Silvester – ich hasse das, wie die Pest.“ Ich lauschte meiner Klientin und ließ das Gesagte samt seiner emotionalen Färbung für eine kurze Zeit nachwirken. „Haben Sie sich gerade selbst zugehört?“, lautete meine Frage an eine junge Frau, die beruflichen Rat bei mir suchte. „Nein. Wieso?“
Wie können wir sicherstellen, dass das, was wir von uns geben auch in unserem Sinn beim Gegenüber ankommt, wenn wir uns selbst nicht zuhören?
Als ich ihr diese Frage stellte, erschrak sie ein wenig und es machte den Eindruck, als sei sie zugleich hellwach geworden. Das Leid vieler Menschen besteht darin, dass sie sich nicht gesehen, nicht (korrekt) verstanden, nicht (richtig) wahrgenommen fühlen. Doch dass dies mit ihrer eigenen Sprache etwas zu haben könnte, wird selten in Betracht gezogen.
Fühlen macht den Unterschied
Ich bat die junge Frau ihre Augen zu schließen und nachzuspüren, während ich ihren Satz wiederholte. Vertraut mit dieser Vorgehensweise, fiel es ihr leicht, in Kontakt mit ihrem Innenleben zu kommen: „Da ist Traurigkeit, und die hat etwas damit zu tun, dass ich mich abgestellt und entwertet fühle.“ Ich ergänzte: „Und mir fällt die Härte auf, mit der hier eine Grenze gezogen wird, das wirkt geradezu verletzend.“ Ich bat sie ihrem aktuellen Gefühl entsprechend Worte zu finden, nachdem nun klargestellt war, dass die erste Formulierung dem unbewussten Versuch folgte, von den wahren Gefühlen abzulenken. Gemeinsam tasteten wir uns Wort für Wort, Beschreibung um Beschreibung vor, bis sie selbst deutlich wahrnahm, was aus ihrem Inneren „zur Sprache kommen“ wollte: „Ich suche nach neuen Möglichkeiten, meinen Wert sichtbar zu machen und auf diesem Weg lerne ich meine wahren Interessen besser kennen. Manches Mal fühle ich mich dabei hilflos und einsam, doch jetzt weiß ich, womit das zu tun hat.“
Sprache verbindet uns
… nicht nur mit anderen Menschen, sondern in erster Linie mit uns selbst.
Ihr wahrer Schatz in diesen Zeiten liegt wohl darin, dass wir uns nicht weiter nach Außen treiben lassen, sondern unsere Wahrnehmung nach innen ausrichten.
Die weitreichende Bedeutung von Sprache liegt daher nicht mehr nur in ihrem rationalen Gebrauch, sondern vielmehr darin, jene Welt in uns am Leben zu erhalten, welche uns Menschen letztlich von Maschinen und Funktionalitäten unterscheidet: unseren Empfindungsreichtum mit seiner Schwelle zum Reich der Seele.
Eloquenz und Sprachgewandtheit waren durchaus einmal anerkannte Bildungswerte, nicht um sich mit diesen Fähigkeiten selbst zu preisen, wie es heute bei vielen „Keynote Speakern“ hauptsächlich der Fall ist, die das Rampenlicht zur Selbstdarstellung nutzen. Das mitunter heilsame Wesen unserer Sprache bewirkt weitaus mehr, wenn es ihr gelingt, die verletzbaren, verdeckten, nahezu vergessenen Seiten in Menschen zu berühren, statt Gefühle auf die Bühne von Motivationsgurus zu zerren.
Markus Peters (Allgemeinarzt, Begründer der Online-Akademie „Der Herzerklärer“ und der Praxis Herztherapie-Nord) im Gespräch mit Céline von Knobelsdorff, 14.02.2024
https://www.youtube.com/watch?v=-yDN3dlO9jA
Sprache basiert auf Resonanz
Sprache ist wie Musik eine Schwingungskomposition, jedes Wort ist verbunden mit unseren Gefühlen und umhüllt von unserer Bewusstheit hierüber. Es erreichen uns Frequenzen und Wellenmuster, das Aus-Gedrückte hinterlässt Ein-Drücke, wir sind allgegenwärtig in Resonanz damit, weshalb angewandte Sprache aufgrund ihrer Schöpfungskraft mit einem hohen Maß an Verantwortung einhergeht. In der Welt von „Senden und Empfangen“ geht deshalb nichts verloren, weil letztlich alles miteinander verbunden ist.
Möge es uns umso mehr gelingen, Sprache wieder bewusst einzusetzen als Bindeglied, welches uns zunächst zu uns selbst führt und uns im Kontakt mit den „Elementen unserer Lebendigkeit“ hält. Und mögen wir den Wert unseres Wortschatzes im persönlichen sowie beruflichen Umgang mit Menschen als große Bereicherung erleben und teilen.