Intuition ist ein Gefühl – aber welches?
Es gibt viele Missverständnisse und Irrtümer rund um den Begriff und das Erleben von Intuition. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die meisten Menschen Intuition als ein „Gefühl“ bezeichnen. Wir erleben Intuition als Stimme aus unserem Inneren, die mit einer besonderen Gewissheit einhergeht. Einer Gewissheit, die Initialzündung für eine Entscheidung ist, oder die innerhalb eines Entscheidungsprozesses zum Handlauf für eine Ausrichtung und Positionierung wird.
Zuviel Gefühl?
Da wir viele Gefühle haben, von denen Intuition eines ist, wie können wir da (absolute) Sicherheit gewinnen, welches von den Gefühlen wirklich Intuition ist? Dass wir sie als etwas betrachten, was sich stärker oder verlässlicher anfühlt, ist für viele Menschen zu ungreifbar. Zugleich baut auch eine solche Haltung bereits auf einem Gefühl auf, nämlich was wir als sicher, klar oder eindeutig empfinden. Man könnte es daher zurecht als emotionalen Schlamassel bezeichnen, der uns hinsichtlich Intuition erwartet, vor allem, wenn wir anderen Menschen Intuition zu erklären versuchen. Weil wir neben den glückseligen Fügungen vermutlich ebenfalls jene Erfahrungen gemacht haben, in denen sie uns durchaus mit unserem Glauben an sie konfrontiert hat, bleibt die Gewißheit eines ausschließlich guten Ausgangs offen. So ist es kaum verwunderlich, dass wir Intuition ohne weiteres Reflektieren als etwas Alltagsuntaugliches bewerten: wunderbar, wenn sie zauberhafter Weise funktioniert und zugleich launenhaft, ob ihres eigenwilligen Zugangs für einen zielgerichteten, planmäßigen Einsatz.
Intuition spricht eine ganz eigene Sprache
Ich behaupte: „Intuition irrt sich in ihrer Durchsage an uns niemals!“ Es sind wir, die ihre Sprache nicht korrekt übersetzen, weil wir sie nie richtig sprechen gelernt haben.
Diese Behauptung setzt im Wesentlichen dies voraus: Ich betrachte Intuition als etwas Eigenständiges, sie hebt sich aus der Masse meines Gefühlslebens heraus. Ich erkenne an, dass sie (zunächst einmal weitläufig formuliert) anders ist, auch wenn ich zu ihrer Beschreibung Worte, wie „Gefühl“, „Empfinden“, „innere Stimme“ o.ä. heranziehen muss, die wiederum durch ihre subjektive Auslegung und Mehrfachdeutungen konsequenterweise auch Missverständnisse hervorbringen können.
Desweiteren lasse ich mich darauf ein, dass Intuition und das Verstehen von Intuition grundsätzlich mit Erleben, dem Reflektieren meines Erlebens, statt mit dem Nachdenken über ihr Funktionieren zu tun haben. Dies zieht nach sich, dass ich im Austausch mit anderen über mein subjektives Erleben, meinen Umgang mit ihr berichte. Das ist eine Art Referenzpunkt, um mich mit anderen Menschen dazu abzugleichen. Tatsächlich ist es meine emotionale Seite, welche mir signalisiert, ob der Austausch einvernehmlich ist, ob es sich um vergleichbare, nahezu identische oder komplett verschiedene Erlebnisse handelt. Der Eindruck „Ich fühle mich verstanden.“ oder „Es fühlt sich stimmig an.“ vermittelt mir, ob wir über das Gleiche sprechen oder über unterschiedliche Dinge.
Rational können wir niemals beweisen, dass wir ähnliche Erfahrungen gemacht haben, viel stärker wiegt das Empfinden, eine gemeinsame Sprache zu sprechen.
Aus der Betrachtung eines Rationalisten betreten wir also besonders dünnes Eis, weil alles, was Intuition nahbar macht, sich zugleich dem logischen, analysierbaren Begreifenwollen entzieht. Um das Wirken, die Bedeutung von Intuition wirklich einschätzen und verlässlich nutzen zu können, bedarf es unseres Mutes, sich auf ihre Sprache einzulassen. Wir lernen gewissermaßen eine Sprache, gleich einer Fremdsprache, mit allen Herausforderungen und Überraschungen, mit allem was uns leichtfällt und was für uns fremd und herausfordernd ist.
Ein großer Irrtum im Umgang
Wer glaubt, dass Intuition immer nur gute Gefühle auslöst, der irrt!
Eine erste und sehr bedeutsame Herausforderung ist, anzunehmen, dass die Stimme der Intuition bei weitem nicht immer nur „gute Gefühle“ mit im Gepäck hat. Ich würde sogar behaupten, dass Intuition besonders bei fundamentalen Themen eine Kaskade unterschiedlichster Emotionen auslöst. Zugleich wird das, was die Botschaft beinhaltet als zutreffend wahrgenommen.
Ein Beispiel aus meiner Praxis hierfür wäre:
Wir fühlen schon lange, dass wir uns aus der Paarbeziehung lösen wollen. Wenn wir es zulassen, ehrlich auf die gemeinsame Zeit zu schauen, sehen wir uns als eine Person, die innerlich bereits begonnen hat, ein eigenes, neues inneres Leben zu führen, neue Wunschgedanken hegt und nach Wegen für einen Ausstieg ohne große Zerwürfnisse sucht. Weil wir das aber befürchten und es zeitweilig vielleicht sogar Anmutungen von positiven Veränderungen innerhalb der bestehenden Gemeinschaft gibt, ebbt der Impuls zu einer Entscheidung immer wieder ab.
Irgendwann wird es zu einem Vorfall kommen, vielleicht ist es nur der letzte Tropfen, welcher das Fass zum Überlaufen bringt, und dieses Ereignis ist dann der große Gongschlag auf unsere, zuweilen sehr zarte, innere Stimme, welche uns bereits geflüstert hatte, dass eine Entscheidung ansteht. Wir hören uns dann Sätze wie diese sagen: „Ich habe es eh schon lange gewusst.“ oder „Ich trage das schon lange mit mir herum.“ oder „Das liegt mir schon lange auf der Seele.“ oder wir müssen uns so etwas anhören, wie: „Ich habe schon länger gespürt, dass etwas mir Dir nicht mehr stimmt…“ Solche Aussagen treffen uns und andere.
Vor allem wegen dieses Umstands: Wir fühlen uns schuldig, den „richtigen“ Zeitpunkt für eine Aussprache verpasst zu haben. Wir fühlen uns ungut damit, an etwas festgehalten zu haben, hinter dem wir nicht mehr stehen und Gefühle „gespielt“ zu haben, die wir nicht mehr wahrhaft empfinden. Wir schämen uns, dass wir nicht authentisch geblieben sind, und dass der (Selbst)Schwindel aufgeflogen ist in einem Moment, da wir uns eingestehen müssen, dass wire es früher hätten tun sollen. Wir fragen uns, warum wir lieber in einer Täuschung gelebt und dem schwindenden Licht der Hoffnung schweigend zugeschaut haben, als das Steuerrad des Lebens selbstbestimmt in die Hand genommen zu haben und dem inneren Ruf gefolgt zu sein.
Konfrontation aushalten
Im Grunde ist die Antwort recht simpel:
Weil das, was die Botschaft unserer Intuition im Gepäck hatte, wie bei diesem Beispiel: „Löse dich aus der Verbindung und gehe eigene Wege.“ von Zweifeln, Selbstkritik bis hin zu existenziellen Ängsten alles Emotionale aufwirbelt, was eine Veränderung dieser Art ganz natürlich mit sich bringt.
Zwei der wichtigsten Irrtümer im Umgang mit Intuition sind demnach, strikt davon auszugehen, dass sie ausschließlich von „guten Gefühl“ begleitet ist, und dass sich das, was sie uns rät „gut“ anfühlt.
Warum ist das so?
Intuition verbindet uns mit Wahrhaftigkeit
Wenn wir nicht mehr hinter einer Beziehung stehen (um bei diesem Beispiel zu bleiben), dann verleugnen wir unsere Wahrheit. Wir sind uns selbst gegenüber nicht mehr aufrichtig und damit nicht mehr wahrhaft gegenüber unserem Partner. Nun kann es durchaus sein, dass wir nicht gleich beim Aufkeimen von inneren Schwankungen am Fundament der einst getroffenen Entscheidung für diese Beziehung rütteln wollen. Es bedarf des weiteren Verlaufs, um die ersten Anzeichen als etwas zu bewerten, was mehr Gewicht für das gesamte Wohlbefinden bekommt. Mehren sich die inneren Erschütterungen, werden wir herausgefordert, zunächst innerlich Position zu beziehen: „Tut mir das (noch) gut?“, „Kann ich damit gut umgehen?“, „Was macht das mit mir?“. Wir werden Antworten finden. Und auch hier sind maßgeblich Gefühle im Spiel. Wenn sich etwas nicht (mehr) gut anfühlt, kennen wir überhaupt die Wurzel dieses Erlebens, seinen Ursprung? Wenn nein, möchten wir uns damit erst einmal auseinandersetzen, bevor wir eine Entscheidung über unseren Verbleib in der Gemeinschaft fällen? Wieder geht es nur um Gefühle. Wie kann uns Intuition hier eine Hilfe sein, wie können wir sie verlässlich erkennen, ohne sie mit anderen Gefühlen zu verwechseln?
Das alles fühlt sich nach Arbeit an? Stimmt! Es ist Arbeit. Der Weg authentisch zu sein, ist ein Weg, nämlich, sich seiner selbst bewusst zu werden. Dazu gehört, dass wir zu gegebener Zeit in verschiedenen Lebensbereichen (wechselweise) gestoppt werden, um darüber zu reflektieren, ob uns die IST-Situation noch entspricht. Von einer Krise angehalten zu werden, ist daher oftmals das letztmögliche Angebot des Lebens an uns, welches wir beachten, um zu herauszufinden, wie es mit uns weitergehen soll, ob wir (noch) das Leben führen, was zu uns passt, weil es sich stimmig anfühlt.
Intuition ist in diesem Bewusstwerdungsprozess der Leuchtturm. Ihre Botschaften, Hinweise sind manches Mal ferne Lichter, die aber klar genug leuchten, um uns innerlich und äußerlich auf Kurs zu halten. Intuition spricht die Sprache unserer Wahrhaftigkeit in Verbindung mit der höchsten Lebensweisheit. Sie streut ihre Durchsagen in Form von Ereignissen, Bildern sowie durch Worte Dritter, welche uns berühren. Sie ist mehr als rechtzeitig, meist präventiv, um uns die fortschreitene Abdrift unseres Lebensfokus bewusst zu machen. Es liegt gerade an den vielen unguten Gefühlen in ihrem Kometenschweif, weshalb wir oft so gelähmt und stark zeitverzögert auf das reagieren oder das umzusetzen bereit sind, von dem wir „wissen“, dass es richtig ist und ansteht.
Intuition ist mehr als ein Bauchgefühl
Warum behaupte ich das?
Intuition hat sich mir als höheres Wissen gezeigt, nicht als etwas Unbewusstes. Stets hatte ich den Eindruck, dass etwas „Größeres“ mich leitet, was eine weitere Perspektive auf die Sinnhaftigkeit der Ereignisse hat. Zugleich fühlte ich eine liebevolle Kraft, selbst bei allem nervösen Bauchgrummeln oder beklemmenden Magenkrämpfen.
Innerhalb meiner Beschäftigung mit unserer Körpersprache und aktuellen Ergebnissen aus der Neurokardiologie, fand ich den Schlüssel zur physischen Verortung unseres intuitiven Wissens im Herzen. Ausgestattet mit einem komplexen Nervensystem ist die elektrische Komponente des Magnetfelds unseres Herzens 60-mal stärker als die des Gehirns, die magnetische sogar 5.000-mal intensiver – wir haben es sozusagen mit einer sehr mächtigen Informationsstation zu tun, die weitausmehr leistet, als zentrale Blutpumpe zu sein. Was viele Menschen bereits „unbewusst“ tun, wenn sie mit „Hand aufs Herz“ endlich raus mit der Sprache rücken, und was der Volksmund in verschiedenen Sprüchen zum Ausdruck bringt, ist also, dass wir Wissen in uns tragen, welches mit Weisheit verbunden ist.
Den hohen Gehalt an Wahrheit dieses Wissens erkennen wir augenblicklich, diese kann uns selbst oder auch Ereignisse und Personen in unserem Umfeld betreffen. Diese Wahrheit ist magnetisch mit unserer Wahrhaftigkeit verbunden, mit einem tiefen, befreienden, stillen „JA“, wenngleich sie uns zugleich oft erschrecken, irritieren, berühren oder durcheinanderbringen kann. Im Einklang mit dieser Lebensweisheit zu leben, Entscheidungen zu fällen, Beziehungen zu führen, beschenkt uns mit Gefühlen des Ankommens und des Zuhauseseins. Wenn Intuition der Leuchtturm auf unserer Lebensreise ist, dann ist unser Herz, und wofür es wahrhaft schlägt, unser Kompass, damit sich unser Leben authentisch entfalten kann. Intuitives Wissen wird so zur Brücke zwischen unserer irdischen Realität und spirituellen Existenz.
Dieser Artikel ist erstmals am 20.02.2020 im Online-Magazin „lifestyle ratgeber“erschienen.