IM SPIEL MIT DEN WEISEN KRÄFTEN DES UNIVERSRUMS

Sind Wunder nur eine Einbildung, eine kindliche Fantasterei oder bedarf es unseres Glaubens daran, damit sie lebendiger Teil unseres Alltags werden? Passen sie noch in eine Welt, in der Leistung, Schnelligkeit und Automatisierung die meiste Anerkennung kassieren?

Meiner Ansicht nach, gehören Wunder mehr denn je in unsere Welt. Wunder halten die Tür zu unserer spirituellen Heimat offen, zu einem wesentlichen Bereich des Lebens, welcher tagtäglich in uns wirkt.

Ich bin nicht in einem Wunderland groß geworden, die Erinnerungen an meine Kindheitstage sind voll von belastenden Themen aus der Erwachsenenwelt, von Sorgen, Ängsten, Zweifeln und notorischer Unsicherheit. Viele Stunden plagte sich meine Mutter mit Fragen, zermarterte sich ihren Kopf, ihr Herz war schwer ob der Ohnmacht bis eine Tür von magischer Hand geöffnet wurde. Erleichtert verhallte unser Staunen in der Stille: „Wie konnte das jetzt geschehen?“ Wir atmeten endlich auf als die Lösung für eines der damaligen Probleme auf wundersamen Wegen hereinspazierte, eine Lösung, die noch besser war als alles, was sie sich erdacht hatte. Zugleich blieb ein inneres Zittern zurück, denn die Probleme schienen niemals weniger zu werden, und das, was uns geholfen hatte, entzog sich unseres Zugriffs. 

 

Im Leben verwurzelt

Noch heute spüre ich durch meine eigenen Herausforderungen wie dünn das Eis meines Glaubens wird, wenn ich vor allem mit meinem Denken nach Auswegen fische: „Bin ich zu unfähig Dinge zu meistern, die scheinbar zum Scheitern verurteilt sind, in die ich hoffnungslos verstrickt bin, für die ich bereits sämtliche Möglichkeiten ausgereizt habe?“ So oder ähnlich hämmert es in meinen persönlichen Krisenzeiten innerlich gegen jene Tür, hinter der das Panorama neuer Wege geduldig wartet. Es ist nicht leicht die Balance zwischen Selbstermächtigung, Eigenverantwortung und der Hingabe an übergeordnete Welten harmonisch in Bewegung zu halten.
Ur-Vertrauen ist ein notwendiger Begleiter auf unserer Reise in ein Leben, in welchem sich Wunder zuhause fühlen. Ur-Vertrauen ist etwas viel Weitreichenderes als Selbstvertrauen oder zwischenmenschliches Vertrauen im Sinne guter Erfahrungswerte. Alle Formen von Vertrauen hängen natürlich miteinander zusammen, doch wessen Verwurzelung ins Leben selbst angenagt oder wackelig ist, der wird zusätzliche Vertrauensstützen benötigen – künstliche und scheinbare Sicherheiten. Im Leben verwurzelt zu sein, bedeutet die tiefe innere Gewissheit in sich zu tragen, dass das Bestmögliche geschieht und geschehen wird, ohne immer zu wissen, auf welche Art und Weise es sich ereignet.



Kosmisches Netz

Oft erinnern wir uns an den Zauber wundersamer Ereignisse erst, wenn auf unserer Lebensreise Dinge geschehen, die uns aus der Bahn werfen, Aufgaben an uns gestellt werden, denen wir uns nicht gewachsen fühlen, oder wenn wir am „Ende mit unserem Latein“ sind. Dann rufen wir zu Gott, den Engeln oder zu sonst einer uns gewogenen großmächtigen Kraft. Wir zünden Kerzen an, beten, schreiben Wunschbriefe, wenden uns mit allen uns bekannten Ritualen an die unsichtbare Welt, deren Wirken wir nun herbeisehnen. Naiv und anmaßend zugleich ist die Vorstellung, dass Wunder dann zu uns kommen, wenn wir sie brauchen, wobei wir sonst kaum an sie glauben oder sie gar belächeln, wenn es uns gut geht. Die Welt des Wundersamen ist kein Spielzeugladen, den wir einfach so betreten und in dem wir uns kostenfrei bedienen können, weil wir einen akuten Bedarf haben. Die Welt des Wundersamen ist ein kostbares Gewirk, welches wie ein kosmisches Netz unter dem Seil gespannt ist, auf welchem wir unser Leben balancieren. Mögen wir uns zeitweilig darauf so sicher fühlen wie auf einem dicken Baumstamm, so kommen immer wieder Momente, in denen alles einem gewagten Drahtseilakt gleicht. Wie jedes Sicherheitsnetz bedarf auch dieses Netz unserer Pflege: unseres Gewahrseins, unserer Dankbarkeit und unseres Ur-Vertrauens.

 

Ja zur Ur-Kraft

Anders als jedes gewöhnliche Netz ist die Welt des Wundersamen etwas Unverständliches, mit dem Kopf Unbegreifbares. Unser Gewahrsein rührt daher weniger aus dem Drang des Verstehenwollens oder gar der Kontrolle und Manipulation. Es gleicht sogar eher dem verschwommenen rationalen Blick auf die scheinbar belanglosen Zusammenhänge in unserem Lebensalltag. Gelingt es uns, die allzu vernünftige Brille abzulegen, mit der wir gerne weit vorausschauen und planen möchten, eröffnet sich uns das Reich der unmittelbaren Magie. Es beginnt meist mit einem tiefen Atemzug der Erleichterung, alles darf so sein, wie es gerade ist – ohne jede Bewertung. Auch wenn wir die Rädchen im Kopf unerbittlich rattern hören, verflacht in solchen Augenblicken dessen Einfluss auf unser Eintauchen in die Welt des Wundersamen.
Mit dem Atem hauchen wir den Wurzeln unseres Ur-Vertrauens neues Leben ein. Wir bejahen damit die Ur-Kraft, die allem Leben innewohnt, und vor allem eines im Blick hat, sich weiter zu entfalten. Das Leben ist auf Entwicklung ausgerichtet und berücksichtigt dabei die heilsame Wechselwirkung von Werden und Vergehen. Weil wir aber unsere eigene Definition von permanentem Wachstum über dieses natürliche Gleichgewicht gestülpt haben, hat unser Sicherheitsfanatismus das Ur-Vertrauen abgelöst. Durch die Zuwendung an das unsichtbare Reich wundersamer Fügungen und durch unser Innehalten inmitten zwanghaften Kontrollierens von Geschehnissen, festigen wir das Netz, in welches wir oft weich fallen, wenn wir den Halt auf unserem festgezurrten Lebensseil verloren haben.

 

Wundergeschichten

Ich wurde gebeten, wieder eine persönliche Geschichte zum Thema Wunder beizutragen, was ich nur allzu gerne tue. Es fällt mir allerdings schwer, eine „Wundergeschichte“ auszuwählen, weil ich immer mehr den Eindruck habe, dass mein gesamtes Leben, jeder Tag mit den Wundern des Lebens verknüpft ist. Inzwischen wandle ich weniger auf einem Seil über jenem alles verbindenden Netz, sondern unmittelbar auf dem Netz selbst. Ich kann kaum mehr erkennen, wann diese Verschmelzung begann, vielmehr war es der Weg der Bewusstmachung, wieviel Magie in meinem Leben, in den Leben aller Menschen, im Leben an sich drinnen steckt.
Je mehr ich mich an die Vergeblichkeit gewöhnte, nach festen Vorsätzen gute Auswege aus problematischen Situationen zu finden und sprichwörtlich die „Flinte ins Korn zu werfen“, je mehr ich mein Ego darin trainierte, scheitern zu dürfen, es ein wenig mehr sterben zu lassen, desto geschmeidiger fand ich mich mit den Lösungen aus dem Orbit wundersamer Fügungen zurecht.  Die Rebellionen gegenüber den Angeboten des Lebens, die gerne so wider jeder meiner Vorstellungen waren, wich und Dankbarkeit trat an dessen Stelle. Je größer die Abstände zu jenen Weggabelungen sind, an denen Wunder die Weichen stellten, desto klarer fiel mein Blick auf alles, was sich daraus entwickelte und desto tiefer wuchs mein Ur-Vertrauen zurück ins Leben. Das fühlte sich selbst oft wie ein Wunder an. Je mehr ich mich mit meinen fixen Ideen raushielt, desto flexibler konnte ich mit den weisen Impulsen des Lebens umgehen. Jeder dieser Hilfen ist für sich genommen ein Wunder. Es sind wiederum unsere Konditionierungen, die uns glauben machen möchten, dass Wunder, so großartig sind sein mögen, mit „Pauken und Trompeten“ in unser Leben platzen.

 

Überraschungsbesuche

Auf leisen Sohlen haben Wunder zumindest mein Haus des Lebens betreten. Trotz guter Pflege meines wundergewirkten Netzes, waren sie nicht immer prompte Antworten auf meine eindringlichen Rufe. Sie traten ein, wenn es passend war, nicht immer dann, wenn ich meinte, es sei der absolut richtige Zeitpunkt dafür. Ur-Vertrauen bedeutet auch darauf zu vertrauen, dass das Leben uns in jedem Fall antwortet, dass es überhaupt mit einem spricht, dass es uns auf jegliche Weise zeigt, wo unsere Aufmerksamkeit benötigt wird. Gerade, wenn existenzielle Anliegen unser Inneres notorisch aufwühlen, fällt es ungemein schwer, nicht länger gegen die vermalledeite Lösungstür zu hämmern, sondern genau das sein zu lassen, bewusst einen Schritt nach hinten zu treten, um dann beherzt die Klinke runterzudrücken und das anklopfende Wunder willkommen zu heißen.
Wunder traten in meinem Leben stets in unerwarteten Momenten ein, will sagen, ich hatte unter Umständen selbst das Warten aufgegeben und öffnete ihnen eines schönen Tages nahezu unbedarft die Tür wie einem Überraschungsbesuch. Rückblickend kann ich sagen, sie kamen weder zu spät, noch zu früh. Vielleicht folgten sie einem Plan, hielten es aber für weiser ihn nicht mit mir zu teilen. Und weil mich das Leben stets gut behandelte, mich versorgte, mich niemals untergehen ließ – völlig unabhängig welche Horrorszenarien sich in meinem inneren Kino abspielten – wurde ich über die Jahre immer gelassener, wenn der Wind in mein Seil fuhr und es zum Schwanken brachte.

 

Mit Kindergemüt

Mögen eingefleischte Rationalisten behaupten, wer an Wunder glaube, sei kindisch. Ja und nein. Kindlich, offenherzig, ja, aber nicht kindisch, affektiert. Das Gemüt eines Kindes blickt noch ohne die Anmaßung des Verstandes, alles begreifen zu wollen, in die Welt. In ihm leben viele verschiedene Betrachtungen ein und derselben Sache: mal ist eine Banane etwas Leckeres zum Essen, mal ist es eine Piratenpistole. Mal sehen sie die Wolken am Himmel, mal Engel, und mal schauen sie einen an, um in den Arm genommen zu werden und dann schauen sie einem in die Augen und sprechen aus, was uns gerade bewegt. Kinder sind Weltenwanderer, wenn wir sie lassen, wenn wir die Türe durch unsere eigene beschränkte Sicht- und Erlebensweise nicht auch für sie schließen. Zwischen den Welten zu wandern bedeutet dem Schöpferischen offen zu begegnen und sich bewusst zu machen, dass nichts für alle Ewigkeit in ausschließlich eine Form, eine Annahme, einen Kontext zu pressen ist.

Wunder lädt der ein, der bereit ist zu staunen wie ein Kind. Staunen kann nur der, der bereit ist auch das bereits Bekannte immer wieder neu zu entdecken, es als etwas zu erleben, was es so noch nicht gibt. Warum das gut sein soll? Weil das Leben nicht an fixen Dingen hängt, weil jeder Baum seine Blätter fallen lässt, um neue – wirklich neue Blätter auszutreiben. Wer versucht, das Leben ausschließlich verstehen zu wollen, der hält den natürlichen Flow an, der versperrt sich den natürlichen Zugang zu einem meisterhaften Spiel mit den weisen Kräften des Universums.

Wunder wollen nicht festgehalten werden. Unser Dank und das Gewahrsein, dass alles Wunderbare unmittelbar im Leben mit uns ist, jede Minute durch uns verkörpert wird, unsere wachsende Verwurzelung im Sein, dem irdischen und spirituellen, das sind immer wieder offene Fenster und Türen, damit das Leben uns an seiner wundersamen und wunderbaren Magie teilhaben lässt.

 

Originalfassung.


Den Artikel samt weiterer wertvoller Tipps gibt es im Magazin "ich bin" 02/2021 zu lesen.

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