Ich habe schon einige Tiefs erlebt, doch der Blick in eine freundliche, vertrauenswürdige Welt gab mir stets Trost und den nötigen Aufwind. Heute blicke ich in eine Welt, die MEINE Kraft, meine Klarheit, meinen Mut, meine Liebe, meine Wahrhaftigkeit und Entschlossenheit benötigt. Und dabei sitze ich hier und frage mich: Woher soll all das kommen?
Nach meinem letzten Blog über den „heilsamen Müßiggang“, der vor allem die Bedeutung des Abstands zum enormen emotionalen Einfluss der Angst  im Fokus hatte, möchte ich dieses Mal über das Desaster sprechen, wenn alle guten Ratschläge die innere Kapitulation nicht aufhalten können…

Ganz persönlich

Ich möchte meine Geschichte hierzu mit Euch teilen. Sie ist eine von vielen.
Von Zuhause bin ich es gewöhnt, nicht viel Aufhebens um das eigene Befinden zu machen, es galt, den Blick auf die zu richten, denen es schlimmer geht. Zugleich erschallte der Ansporn, die Leistungen stets an den noch Besseren auszurichten. Meine Geschichte dieser Tage ist sicherlich nicht die Schlimmste und meine Versuche, daraus etwas für viele zu schaffen, werden für manche nur ein wackeliger Strohhalm sein. Doch ich schreibe dies heute mit besonderem Herzblut mit der Zuversicht, kleine lichte Inspirationsfunken in dieser Zeit der Last und des Brodelns auszustreuen.


Mit Schwung ins Vakuum

Gerade war ich in einem echt schönen Stream von beruflichem Erfolg, dem Ausbau meiner Selbständigkeit, dem Wiederanknüpfen familiärer Bande und einem nahenden Frühlingswind voller Zuversicht und Liebe. Ich höre mich in einem Gespräch noch sagen, wie wenig mich diese ersten Schreckensnachrichten tangieren würden, weil ich mir meiner Gesundheit bewusst bin, weil ich nicht alles an mich heranlasse, was da verbreitet wird. Das öffentliche Leben würde sich dramatisch ändern, das waren Worte, die mir wie eine gespenstische Dramatisierung der Lage vorkamen. Ein paar Tage später stand fest: der Kindergarten macht dicht und ich stand vor der ersten großen Frage „Was mache ich mit meinem Sohn?“

Alleinerziehend und selbständig, ohne familiären Background, die Nachricht wirkte wie eine Megabrausetablette im Miniwasserglas meines fragilen Systems. Doch sei´s drum, sagte ich mir, noch reichen meine Reserven und überstandene Krisenerfahrungen aus, um die erste Eisenklammer mit kreativem Optimismus anzupacken. Es gab Lösungen und ich passte mich an. Ich fühlte mich inspiriert, zu schreiben und der zunehmenden Angstwelle entgegen zu wirken. So entstanden die ersten Blogs und Podcasts. So erfuhr ich von den Ängsten anderer Menschen, die um ihre Existenz bangen, darunter auch Verlage, denen ich meine Arbeiten anbot. Die Wochen vergingen und heute, nach dem Lockdown sieht die Welt für mich so aus:
Eine Säule meiner Tätigkeit ist eingefroren, die andere runtergeschraubt, ich weiß, dass ich in absehbarer Zeit aus meiner Wohnung raus muss, weiß aber nicht, wohin die Reise dann für mich geht, die zarten Kontaktbande meines Sohnes zu seinem Vater wurden durch die Bundesländer Beschränkungen nahezu im Keim erstickt, die verheißungsvolle Frühlingsliebe hat sich verabschiedet, ohne dass ich es wirklich verstehen durfte, ich sitze alleine in meinem Homeoffice, muss funktionieren, kann kaum aus meiner Haut raus, denn dafür ist höchstens abends Raum, da bin ich aber meist schon viel zu müde. Mein Rücken meldet: zu wenig Sport, doch es macht sich ob der Last ein gewisses Phlegma breit, und ich merke, dass ich mich kaum zu mehr als dem Existenziellen motivieren kann, wobei das sehr wesentlich auf einem gesunden, positiven Selbstkontakt aufbaut.

Die Traurigkeit ob des Abbruchs in allem, was noch vor einigen Monaten Freude bereitet hat, Kraftquelle war und womit ich mich durchaus auch im Einklang mit der Welt fühlte, die schob sich Tag für Tag sich wie ein riesiger Sargdeckel auf alles, was sonst mein Antrieb war. Ich konnte oft nur heulen, weil ich gar nicht wusste, wo anfangen mit aufräumen, mit loslegen, mit weitermachen, mit mich selbst motivieren…

Dunkle Nacht der Seele

Ich fühlte mich ob der vielen verschiedenen Trennungen, die in so kurzer Zeit über mich hereinbrachen, erst äußerlich, dann wachsend innerlich isoliert: Trennung von Auftraggebern, Trennung von gutem Einkommen, Trennung von sicheren Alltagsabläufen mit Kind, Trennung von liebenswerten Kontakten, Trennung von der Ruhe, ein vertrautes Zuhause zu haben, Trennung von der Klarheit, wo mein Lebensstandort sein wird, Trennung von einer Herzensverbindung, die stiller Halt war, Trennung von dem Glauben, all dem gewachsen zu sein, Trennung von der Leichtigkeit, die so manche schwere Nachricht erhellt, Trennung von dem Gefühl von Sicherheit und guten Lösungen, Trennung von meinem Selbstvertrauen, welchen Koordinaten ich jetzt folgen sollte, Trennung von dem Sinn, wofür soll ich es denn jetzt schaffen, wenn da draußen ein ganz anderes Rad der Macht gedreht wird, in dem ich ein verschwindend geringes Sandkörnchen bin…

Der Sturm aller Emotionen brach immer heftiger aus den Lücken meiner Einigkeit mit mir selbst. Ich sah mich in einer Zerreißprobe an deren tiefsten Punkt es rabenschwarz war. Es gab Stunden, da ertappte ich mich stumm zu schreien: wenn mein Sohn nicht wäre, wüsste ich nicht, was ich täte…

 

Zerreißprobe beenden – Standpunkt finden

In einem Augenblick der inneren Regungslosigkeit, fiel mein Blick auf jenen Spruch: „Wer mit dem Leben tanzen will, muss sich vom Leben führen lassen.“
Es widerspricht mir, auch in der dunkelsten Stunde, nicht an einen Sinn zu glauben, der sich mir zu offenbaren sucht, wenn ich nur mit Ruhe das zu (er)tragen beginne, was mir den klaren Blick trübt, und mein Herz zum Kochen bringt.
„Ok Leben, wenn das hier alles Sinn machen soll, dann bitte zeige mir den nächsten Schritt, dann leite mich an, das zu tun, was meine Existenz ebenso rettet, wie mein Gefühlsleben, wie meine stressgebeutelte Gesundheit und wodurch ich Antworten erhalte auf Fragen, auf die mein irritierter innerer Kompass nur mit wildem Gekreisel reagiert.“

Äußerlich geschah zunächst nichts. Dafür hatte ich ein inneres Bild, das war nicht schön, aber es zeigte, was nun meine Aufgabe ist: mich selbst zu positionieren. Ich sah, dass eine Erdscholle in zwei Teile zerbrach, auf der einen hielt sich das Licht, warme Farben empfingen die Menschen, die sich auf diesen Teil zu retten schienen. Dabei halfen sich alle miteinander. Der andere Teil der Scholle rutschte in dunkle Wolken hinein, dort wurde es immer wilder, ungemütlicher, dort zeigten Menschen ihre Wolfsgesichter, furchteinflößend. Einige suchten von dort immer noch auf den anderen Teil zu gelangen, es herrschte verzweifeltes Durcheinander. Als ich dieses Bild in mir auftauchen sah, machte es mir ebenfalls Angst, ich wollte nicht, dass das, was mal eins war, in zwei Teile zerbricht, weil es mich zwang, mich zu entscheiden. Ich würde mich bekennen müssen, an wen, an was ich glaube, damit ich meine Ausrichtung (wieder)fände. Davor fürchtete ich mich. Vielleicht würde das, was sich gerade als licht zeigt später als fataler Fehler, als Irrtum herausstellen, vielleicht ist alles nur eine Täuschung, und warum muss ich mich überhaupt erst positionieren, um mein Leben weiter leben zu können?

 

Tanz des neuen Lebens

Seitdem ich dies sowohl innerlich als auch äußerlich getan habe, seitdem ich meine Stimme erhebe, mit meiner Meinung nicht hinterm Berg halte, stelle ich fest, dass ich Fremden begegne, die kurzerhand zu Gleichgesinnten werden. Es tun sich neue Brücken auf, neue Verknüpfungen.

Ich bin immer noch getrennt von vielem, es gibt immer noch diese Traurigkeit, die den Verlust von allem Vertrauen beklagt, aber viel größer ist die Erschütterung darüber, dass ich in eine Welt blicke, die auseinanderfällt und die keine Zeit hat, mir weitere Male die Sinnfrage meines Zutuns zu stellen.

Ich bin wichtig in meinem Vertrauen für die Auferstehung eines Lebens, welches sich von trügerischen Schlacken befreit hat, welches, wachgerüttelt für die Verführungen von Komfortzonen meine ganze Bewusstheit braucht, damit diese Welt wirklich ein Ort zum Mitgestalten, zum Wohle aller wird und bleibt.

Wir alle sind wichtig, das Bersten dieser Welt zum Anlass zu nehmen, über die eigenen Existenzfragen hinaus Wege in neue Gemeinschaften zu finden. Alles was wir aus dem vielleicht mühselig in uns bewahrten Licht der Zuversicht, des guten Glaubens und der mutigen Entschlossenheit heraus tun, wird gemeinsam mit den vielen anderen Lichtern zu einem wärmenden Feuer, um das wir Hand in Hand den Tanz der  Wiedergeburt des Lebens tanzen dürfen.

 

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